Brilliant – Geniale Mathematik für unterwegs

„Mathematik?! Warum sollte man sich das freiwillig antun?“ Das werden sich nun vermutlich viele der Leser denken, die sich nicht schon von dem Titel haben abschrecken lassen. Und in der Tat, bei der Art und Weise, in der Mathematik leider viel zu oft in der Schule „gelehrt“ wird, kann ich diesen Gedanken wahrlich verstehen. Brilliant ist eine App, welche versucht den eigentlichen Kern der Mathematik wieder in den Fokus zu rücken.

Dieser Artikel beinhaltet einen Meinungsbeitrag des Autors. Die in diesem Beitrag geäußerte Meinung muss nicht unbedingt die Haltung der Redaktion wiedergeben.

Was in der Schule oft falsch läuft

Um zu verstehen, was Brilliant – Achtung, Wortwitz! – so brillant macht, ist es hilfreich zunächst zu verstehen, warum Mathe ein derartiges Hassfach ist und warum es dennoch solch eine Bedeutung hat. Hauptfehler Nr. 1: Mathematik, allem voran die Schulmathematik ist oft einfach nur ein Fach bei dem den Schülern Probleme entgegen geworfen werden ohne den Sinn und die Relevanz ebendieser zu erklären. Um hier ehrlich zu bleiben; Polynomfunktionen werden Menschen welche nicht in gerade in Technik oder Wirtschaft arbeiten wohl eher selten lösen müssen, von Differential- oder Integralrechnung brauchen wir nicht anzufangen. Dennoch kommt es – wohlgemerkt berechtigterweise! – in der Schulmathematik vor.

Und hier kommt Fehler Nr. 2: Wenn nun diese Themen unterrichtet werden, wird oft einfach ein Lösungsweg heruntergebetet der gefälligst auswendig gelernt werden und ja nicht hinterfragt werden soll. Herleitungen – das Schreckgespenst aller Schüler – sind ja schließlich viel zu schwer und nicht von Belang um die Aufgaben lösen zu können. Man kann nach einer Portion Bulimielernen schließlich die zu dem unterrichteten Lösungsweg passenden Aufgaben ohne Verwendung von Sinn und Verstand lösen. Ziel erreicht.

„Ein kleines Rätsel mit Hund, Katze und Hase? Einfach!“
„Ein Gleichungssystem mit drei Gleichungen und drei unbekannten?! Grausam!“
Das diese beiden Dinge im Grunde das gleiche sind ist dabei erstaunlich wenigen bewusst.

Das wertvolle an der Mathematik

Warum Fehler Nr. 1 tatsächlich ein Fehler ist und warum Mathematik enorm wichtig ist, trotz der Tatsache, dass nur ein kleiner Teil der Menschen ernsthaft mit Mathematik konfrontiert wird, welche über die Grundrechenarten hinausgeht? Die Antwort ist im Grunde recht simpel. Mathematik ist die Sprache unserer Welt. Ein zumindest grundlegendes Wissen über die Art und Weise wie sie funktioniert gehört mindestens genauso zum Grundwissen wie geschichtliche und kulturelle Bildung! Zahllose politische Debatten werden über Themen geführt, zu denen es seitens der Wissenschaft eindeutige Antworten gibt! Debatten, welche den Raum denjenigen Debatten stehlen, welche wirklich debattierungswürdig sind. Debatten, welche im Extremfall einen regelrechten Keil in die Gesellschaft treiben.

Verweise zu den Bereichen der Physik, in denen die unterrichtete Mathematik tatsächlich vorkommt, zeigen zumindest schon ein mal, dass Mathematik eben doch nicht unnötig ist, sondern seine Relevanz allgegenwärtig ist. Und wenn die physikalische Bildung es dann auch noch schafft nicht nur ein Bewusstsein hinsichtlich ihrer eigenen Relevanz zu schaffen, sondern den Leuten auch tatsächlich wissenschaftliche Sachverhalte und wissenschaftliches Denken beibringt, dann kann ein Jeder leicht zwischen Pseudowissenschaft und Populismus auf der einen Seite und Wissenschaft und Fakten auf der anderen unterscheiden.

Was Differentialrechnung mit dem Alltag zu tun hat? Dein Tacho lässt grüßen!

Fehler Nr. 2, das Herunterbeten von Lösungsalgorithmen ohne tiefer gehenden Erklärung oder gar Herleitung, ist dabei meiner Meinung nach ein genauso dramatischer Fehler. Mathematik ist eine Logikwissenschaft. Eine Wissenschaft, welche im Großen und Ganzen schlicht durch scharfes Nachdenken zu seinen Ergebnissen kommt. Und ebenjener Part des Nachdenkens und des Erkennens oft erstaunlich simpler Zusammenhänge wird gerade nicht in den Schulen gelehrt. Dabei – und diese steile These stelle ich nun auf – würden absolute Großteile der Menschheit auf viele Zusammenhänge und Gesetzte der Schulmathematik von ganz alleine kommen, wenn man sie nur in die richtige Richtung stupst. Natürlich lehrt einen die Mathematik auch wie man Differentialgleichungen löst, was es uns z. B. erlaubt Crashtests simulieren zu können und so im Straßenverkehr viele Leben rettet! Aber der für die Allgemeinheit viel relevantere und wichtigere Part ist der, dass einen die Mathematik lehrt logisch und Abstrakt zu denken. Eine Fähigkeit, welche kein anderes Fach in diesem Maße trainiert. Eine Fähigkeit, welche meines Erachtens nach enorm wichtig ist.

Logik kann bisweilen hinterlistige Schlüsse zulassen. Hinterlistig, aber nur selten schwer zu verstehen.

Die Brillanz bei Brilliant

Beschriebener Fehler Nr. 2 ist, was die App an vielen Stellen so gut macht. Die App stellt einen vor Fragen, welche im ersten Step sehr simpel erscheinen und es im Zweiten auch tatsächlich sind. Fragen, deren Beantwortung im Grunde so gut wie jeder schafft, wenn man nur ein wenig über sie darüber nachdenkt. Man wählt eine Antwort aus und sieht dann, ob sie richtig war. Wenn nicht, so liefert die Brilliant einem kurze aber aussagekräftige Erläuterungen, die einem auf anschauliche Weise erklären, wie man durch recht naheliegende Schlüsse zu dem Ergebnis kommt. So schafft es Brilliant auch bei Themen, welche landläufig als schwierig gelten eine gewisse Intuition für die Grundprinzipien dieser Themenbereiche zu wecken. Die Themenbereiche fangen dabei bei simpler Logik an und enden bei Quantenphysik und künstlicher Intelligenz. Und ganz nebenbei liegt dazwischen noch das wissenschaftliche Denken, Algebra, Stochastik und Analysis etc. Alles was das Herz begehrt. Dabei gibt es dann auch immer täglich eine kleine Aufgabe, welche mit irgendwelchen dieser Themengebiete zusammenhängt.

Die kleinen Haken

Der offensichtliche Haken der App ist die Tatsache, dass sie komplett auf Englisch ist. Mehr oder weniger fließende Englisch Kenntnisse sind bei Nutzung der App also sehr von Vorteil. Doch selbst wer diese Kenntnisse nicht hat. Sprachen lernt man am effektivsten durch Übung. Man kann hier also gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ein weiterer Punkt den viele stören dürfte, ist die Tatsache, dass man für die tiefer gehenden Aufgaben ein Abonnement benötigt, welches mit 7,59 €/Monat bzw. 18,99 €/Monat, je nach Zahlweise, nicht unbedingt günstig ist. Doch um zumindest ein Gefühl dafür zu bekommen, dass Mathematik mehr als nur stures Anwenden irgendeines eingeprügelten Algorithmus ist, sondern hinter all dem oft sehr simple Logik steht, reicht auch der Umfang den Brilliant kostenlos ohne Abo bietet.

Fazit: Eine App für alle Mathehasser und Liebhaber

Brilliant zeigt deutlich, dass Mathematik mehr als nur ein unnötiger Schülerschreck ist. Gerade für Leute, die diese Position bis heute vertreten empfehle ich die App. Denn sie zeigt genau dieses Missverständnis auf und bietet mit zahlreichen kleinen Rätseln eine tolle Möglichkeit um dieses Missverständnis auszuräumen. Zwar dürfte der recht hohe Preis für das komplette Abo und die Englische Sprache ein Problem sein, ein Hindernis ist es aber nicht. Also: Ausprobieren!

Brilliant
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Entwickler: Brilliant.org
Preis: Kostenlos+
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