Tor Browser – Das Internet wird zur Zwiebel

Tor ist ein Akronym und steht für The Onion Routing. Was für viele aufs erste Hören vermutlich nach einem Rezept fürs Abendessen klingt – hat ja scheinbar irgendwas mit Zwiebeln zu tun – ist in Wahrheit das Netzwerk der gleichnamigen Non-Profit-Organisation mit Sitz in den USA. Ziel ist nichts weniger als ein anonymeres Internet, frei von Zensur und Rückverfolgbarkeit. Mit dem Tor Browser hat dieses Netzwerk inzwischen auch seinen weg auf Smartphones gefunden. 

The Tor Project – Was steckt dahinter?

To advance human rights and freedoms by creating and deploying free and open source anonymity and privacy technologies, supporting their unrestricted availability and use, and furthering their scientific and popular understanding

Menschenrechte und Freiheiten durch die Entwicklung und Verbreitung von Open Source Anonymitäts- und Privatsphäre-Technologien zu fördern, ihre ungehinderte Verfügbarkeit zu unterstützen und ihr Verständnis in Wissenschaft und der Allgemeinheit zu vergrößern.

Das ist die Mission der Non-Profit-Organisation, die seit 2006 hinter der Entwicklung und Aufrechterhaltung von Tor steht. Definitiv keine niedrig gesteckten Ziele. Unrealistisch sind sie aber bemerkenswerterweise auch nicht! So wurde und wird Tor in vielen Autokratien und Diktaturen genutzt um Zensur und Verfolgung durch die herrschenden Regime zu unterbinden. Schließlich gibt es auch heute, im 21. Jahrhundert zu viele Länder in denen eine freie Meinungsäußerung oder der Zugang zu unzensierten Informationen nicht möglich ist. Aber auch Whistleblower wie Snowden bedienten sich schon dieses Netzwerkes zur sicheren Kommunikation mit Journalisten. Trotz all dem ist Tor aber nicht nur für solch extreme Fälle geeignet. Als Internet-Nutzer hier in Europa bist auch Du Ziel von Überwachung. Zwar reden wir hier nicht von Überwachung mit dem Zweck Dich Deiner Menschenrechte zu berauben, wovon wir hier aber reden ist Rückverfolgung Deiner Aktivitäten im Internet zum Zwecke personalisierter Werbung.

Und wie funktioniert das ganze?

Das schöne – oder langweilige, kommt darauf an wen man fragt – an Projekten mit einigermaßen akademischem Hintergrund sind die oft komödiantisch deskriptiven Namen, die diesen Dingen gegeben werden. So ist es auch bei Tor. In dem Akronym steckt wie schon erwähnt das Wort „Zwiebel“ drin. Bekannterweise ist eine Zwiebel das Gemüse der Wahl, wenn man nach einer Analogie sucht, die irgendetwas mit Schichten zu tun hat. Die Schichten sind im konkreten Fall von Tor mehrere (drei beim Tor Browser) Verschlüsselungsschichten. Verschlüsselung ist aber leider nur die halbe Miete. Die Sorgt nämlich nur dafür, dass unbefugte Dritte nicht wissen, was Du sendest, da sie die Nachricht schlicht nicht lesen können. Wer hier mit wem kommuniziert ist aber weiterhin glasklar. Das liegt im Großen und Ganzen daran, dass der Weg von Sender zu Empfänger ein recht direkter ist und beide wissen, wer am anderen Ende ist. Das lässt sich aber verhindern, indem man einen dritten Server zwischenschaltet, der schlicht nicht weitersagt, wer am anderen Ende sitzt. Setzt man jetzt nicht nur einen, sondern mehrere dieser Mittelsmänner ein, so wird eine Rückverfolgung erheblich schwerer. Das ist, in einer Nussschale, was Tor macht. Mehrfach verschlüsseln und mehrere, zufällig ausgewählte Mittelsmänner einsetzten.

Zu schön um Wahr zu sein

Leider kommt der Aufschlag an Privatsphäre und Sicherheit auch mit einer Portion merklicher Nachteile. Der Größte ist Geschwindigkeit. Aufgrund der mehrfachen Verschlüsselung und dem komplexeren, zufälligen Weg der an mehreren Zwischenstellen Halt macht, ist das Surfen mit Tor (bzw. Proxy-Servern im Allgemeinen) erheblich langsamer. Webseiten, die im Normalfall mit einem Fingerschnippen da sind, können mit Tor gut und gerne ein paar Sekunden auf sich warten lassen. Geschwindigkeit ist aber nicht die einzige Einbuße. Um Tracking zu verhindert werden auch Cookies etc. standardmäßig gelöscht. Das hat die Nebenwirkung, dass unter anderem Logindaten nicht gespeichert werden und Du Dich jedes Mal wieder auf Webseiten anmelden musst. Man kann diese Löschungen auch wieder deaktivieren. Das ist nur etwas witzlos, da Cookies ein wichtiges Tool zur Rückverfolgung sein können.

Fazit: Du hast die Wahl

Der Tor Browser bietet ein beachtliches Maß an Sicherheit und Privatsphäre. Das geht jedoch auf Kosten von Praktikabilität und Komfort. Das Surften mit Tor ist aufgrund der Verschlüsselung und den vielen Zwischenstationen merklich langsamer und da direkt alle Cookies etc. konsequent gelöscht werden, gehen auch sämtliche Logins und Ähnliches flöten. Ob einem das gesteigerte Maß an Privatsphäre dieser Mehraufwand wert ist, muss im Endeffekt jeder für sich entscheiden. Tor bietet mit seinem Netzwerk aber zumindest die Möglichkeit diese Entscheidung zu treffen, was in meinen Augen an und für sich schon ein Erfolg ist.

9Score9Funktion9Bedienung8Design10Umfang9Editor's Choice